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Ohne Industrie schafft der Tourismus keinen Wohlstand, sondern importiert Inflation

Geschrieben von: Saša Drezgić, Dekan der Fakultät für Wirtschaft in Rijeka

In den letzten Jahren hat sich Kroatien scheinbar in einer paradoxen Situation befunden: Es erzielt Rekordumsätze aus dem Tourismus, der Sektor übersteigt zwanzig Prozent des BIP, während die Inflation steigt, das Haushaltsdefizit durch soziale Transfers unter Druck steht, die Importabhängigkeit zunimmt und die Produktionskapazitäten abnehmen. Der Tourismus, obwohl ein Treiber des Konsums, ist auch zu einem Generator struktureller Schwächen geworden: Er schafft eine Nachfrage, die die heimische Industrie nicht erfüllt. Hotels, Restaurants und Apartments beziehen Lebensmittel, Energie, Ausrüstung und Dienstleistungen aus dem Ausland, während die lokale Produktion stagniert. Dies schwächt den inländischen Mehrwert, erhöht das Handelsdefizit und befeuert indirekt das Preiswachstum. Kroatien nutzt derzeit den Tourismus nicht als Hebel für die industrielle Entwicklung, sondern als Ersatz dafür. Die Inflation wird importiert, und der Staat reagiert mit Brandbekämpfungsmaßnahmen – Preisregulierungen, Haushaltsinterventionen und Subventionen – die vorübergehend Spannungen abbauen, aber langfristig die Marktmechanismen und die Wettbewerbsfähigkeit untergraben.

Aus diesem Grund wird die zentrale Frage erneut aufgeworfen: Kann Kroatien sich vor Inflation schützen und ein nachhaltiges Einkommenswachstum sicherstellen, ohne zur Produktion zurückzukehren, d.h. ohne Reindustrialisierung?

Der Mangel an inländischem Angebot in der Landwirtschaft, der Lebensmittelindustrie, der Energie und dem verarbeitenden Gewerbe hat eine Wirtschaftsstruktur geschaffen, die hauptsächlich konsumiert und wenig produziert. Dies ist nicht nur ein wirtschaftliches, sondern auch ein fiskalisches Problem – der Staat verlässt sich auf die Mehrwertsteuer aus dem Konsum, während die Basis für Gewinn- und Exportsteuern hinterherhinkt. Das Paradoxon ist offensichtlich: Während der Tourismus die Kassen der Unternehmen füllt und den Konsum anregt, gibt es ohne Produktion keine Grundlage für nachhaltiges Lohnwachstum, Steuererleichterungen und Haushaltsstabilität.

Abhängigkeit von Importen und Saisonalität

Reindustrialisierung, richtig verstanden, bedeutet nicht die Rückkehr zur alten Industrie mit geschlossenen Grenzen, sondern vielmehr eine Erneuerung der inländischen Produktion mit moderner Technologie, Digitalisierung und der Förderung von Sektoren, die hohen Mehrwert schaffen. Dazu gehören die Lebensmittel- und Verarbeitungsindustrie, die den Tourismus und Exporte beliefern kann, der Holz-Metall-Sektor, Energie – insbesondere erneuerbare Quellen – und neue Industrien wie IKT, Biotechnologie und die Produktion von Ausrüstung für den grünen Übergang. Ohne eine industrielle Basis bleibt Kroatien eine Dienstleistungswirtschaft, die von Importen und Saisonalität abhängig ist und keine Resilienz gegenüber Krisen aufweist.

Beispiele aus anderen Ländern zeigen, dass ein anderer Weg möglich ist. Polen hat die Landwirtschaft, die Lebensmittelindustrie und die Automobilteile durch die Reduzierung von Importen und die Erhöhung von Exporten mit EU-Mitteln revitalisiert. Slowenien hat einen starken Industriesektor neben dem Tourismus erhalten, sodass heute Pharmazeutika, die Metallindustrie und Automobilkomponenten die Grundlage der Exporte bilden. Irland hat mit Steueranreizen Hochtechnologie angezogen, während Finnland und Südkorea Resilienz durch Industriepolitik aufgebaut haben. Kroatien fehlt derzeit eine solche Strategie; es gibt Einzelmaßnahmen, aber keinen umfassenden Plan.

Wenn sich nichts ändert, wird unser Land weiterhin Inflation importieren, Preise subventionieren, Brände mit Haushaltsübertragungen löschen und zusehen, wie der Produktionssektor verschwindet. Kleine Betriebe werden weiterhin schließen, Familienbetriebe werden verschwinden, und Importketten werden den Markt übernehmen. Der Haushalt wird zunehmend anfällig, da er sich auf den Konsum und nicht auf die Produktion stützt. Jede neue Krise – Energie-, geopolitische oder Klimakrise – wird erneut dieselbe Schwäche offenbaren: Abhängigkeit von anderen.

Reindustrialisierung ist eine Überlebensbedingung

Es ist an der Zeit für eine andere Richtung. Reindustrialisierung muss zur Staatsstrategie werden – mit klar definierten Sektoren, finanziellen Mechanismen, Steuererleichterungen für die Produktion, schnelleren öffentlichen Dienstleistungen (Genehmigungen) und Zusammenarbeit zwischen Industrie, Universitäten und Kommunen. Nicht um den Tourismus zu leugnen, sondern um eine Produktion aufzubauen, die Importe reduziert, Exporte erhöht und Preise stabilisiert. Nur dann wird es möglich sein, über nachhaltige Löhne, niedrigere Steuern und einen stabilen Haushalt zu sprechen.

Zusammenfassend muss Kroatien von einer Logik des Konsums zu einer Logik der Wertschöpfung übergehen. Reindustrialisierung ist keine ideologische Rückkehr in die Vergangenheit, sondern eine wirtschaftliche Überlebensbedingung für die Zukunft. Der Tourismus kann stark bleiben, aber ohne Industrie wird er nur unser mangelndes Engagement widerspiegeln. Wenn wir heute nicht die Richtung ändern, werden wir morgen wieder über Subventionen, Preisstopps und verpasste Chancen diskutieren – nur mit einer noch kleineren Anzahl von Unternehmern, die tatsächlich produzieren.

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