Geschrieben von: Viktor Mendel, Direktor und Gründer von Strategic Management Consulting (Deutschland)
Finanzabteilungen in allen Branchen stehen heute vor erheblichen Herausforderungen. Plötzliche Veränderungen durch digitale Transformation, instabile Marktbedingungen, regulatorische Komplexität und sich ändernde Erwartungen der Stakeholder erfordern mehr als inkrementelle Verbesserungen – sie erfordern eine grundlegende Transformation.
Das als Finance Target Operating Model (FTOM) bekannte Modell bietet einen strukturierten Rahmen für diese Reise, aber der Erfolg liegt nicht im Rahmen selbst, sondern darin, wie Organisationen die kulturellen und operativen Veränderungen navigieren, die es verlangt.
In diesem Artikel werde ich ein Beispiel für die Transformation in einem Unternehmen für nachhaltige Energiedienstleistungen beschreiben und demonstrieren, wie der FTOM-Rahmen praktisch angewendet werden kann, um die Finanzabteilung von einer Dienstleistungsfunktion zu einem strategischen Geschäftspartner weiterzuentwickeln.
Mehr als Transformation
Das betreffende Energieunternehmen ist in der deutsch-schweizerischen Grenzregion tätig und fungiert als regionaler Partner für nachhaltige Energieproduktion und -versorgung. Mit einem Jahresumsatz von 1,5 Milliarden Euro und über tausend Mitarbeitern sah sich die Organisation zunehmendem Druck durch Klimaschutzinitiativen, volatile Energiepreise, regulatorische Eingriffe und einen umfassenden Energiewandel gegenüber, der ihre Branche umgestaltete.
Traditionelle Ansätze zur Optimierung der Finanzfunktion – Prozesse zu straffen, neue IT-Systeme zu implementieren, Kosten zu senken – waren nicht mehr ausreichend. Das Unternehmen erkannte, dass es eine grundlegende Transformation benötigte, um sicherzustellen, dass die Finanzabteilung und folglich das Controlling die strategische Entwicklung der Organisation effektiv unterstützen konnten. Der Ansatz des Unternehmens ist ein Beispiel dafür, wie Organisationen technische Upgrades erfolgreich anwenden können, während sie gleichzeitig eine echte kulturelle und operationale Transformation der Finanzfunktion erreichen.
Anwendung des Goldenen Kreises
Das Transformationsteam wandte den als Goldenen Kreis bekannten Ansatz von Simon Sinek an, der erklärt, warum einige Organisationen erfolgreicher sind als andere. Das Modell besteht aus drei konzentrischen Kreisen: vom ‚Warum‘-Kreis über ‚Wie‘ bis ‚Was‘. Die zentrale Idee dieses Ansatzes ist, dass die meisten Organisationen von dem äußeren Kreis nach innen kommunizieren (was → wie → warum). Erfolgreiche Organisationen tun das Gegenteil: von ‚Warum‘ nach außen (warum → wie → was). Diese Methodik hat sich als entscheidend für die Schaffung organisatorischer Ausrichtung erwiesen.
Warum, Wie und Was transformieren
Der Hauptantrieb war ein grundlegender Wandel hin zu einem Fokus auf interne Nutzer, hauptsächlich das Management. Die Finanzabteilung musste sich von einem primären Fokus auf bloße Berechnungen und Compliance zu einem Managementpartner für eine effektive und transparente Verwaltung der Geschäftseinheiten weiterentwickeln. Eine fokussierte Ausrichtung auf die Bedürfnisse interner Nutzer erwies sich als treibende Kraft der Transformation hin zu einer Managementfunktion.
Die Einführung war mehr als nur ein weiteres neues Konzept. ‚Wie‘ umfasste neue Kollaborationsmodelle und Systeme gegenseitiger Unterstützung, die eine ganzheitliche Sichtweise bieten, die für nachhaltige Veränderungen unerlässlich ist. Der Fokus lag auf der Digitalisierung und der Weiterentwicklung der Finanzabteilung hin zum Management, wodurch sie als integraler Bestandteil des Kerngeschäfts positioniert wurde, anstatt lediglich als unterstützende, dienstleistende oder administrative Funktion.
Durch Thematische Bereiche
Das Unternehmen organisierte Transformationsmaßnahmen durch thematische Bereiche basierend auf Prozessaktivitäten, z.B. von der Beschaffung bis zur Zahlung oder von der Erfassung bis zum Reporting. Diese Struktur ermöglichte ein umfassendes Verständnis der Prozesse, während sichergestellt wurde, dass Maßnahmen aus einem Bereich Auswirkungen auf andere hatten. Um die thematischen Bereiche so greifbar wie möglich zu machen, organisierte das Unternehmen konkrete Schritte, um internen Nutzern zu helfen, diese besser zu verstehen und sich mit ihnen zu identifizieren.
Zum Beispiel wurde ein Konzept offener Türen entwickelt, um eine vollständige Interaktion mit internen Nutzern zu ermöglichen, bei der sie den gesamten Prozess erleben, Fragen stellen und gemeinsam Lösungen entwickeln konnten, sowie Workshops, die spezifische Einblicke in die Datenanalyse im Controlling und die Transformation von Daten in Informationen boten. Solche Lösungen gelang es, abstrakte Konzepte der Transformation konkret und zugänglich zu machen, was einer breiteren Palette interner Nutzer, insbesondere Managern, half, ihre Rollen in der umfassenderen Veränderungsinitiative zu verstehen.
Von Allgemeiner Praxis zu Spezialisten
Ein zentrales Element des FTOM bestand darin, eine neue Organisation basierend auf Rollen innerhalb der Controlling-Abteilung einzuführen. Zuvor fungierten Controller als Experten der allgemeinen Praxis ohne tiefgehende Spezialisierung. Die Transformation führte spezialisierte Rollen mit definierten Aufgabenprofilen und Kompetenzen ein, um besser auf die Anforderungen interner Nutzer einzugehen.
Anstatt Rollen von oben aufzuzwingen, arbeitete die Finanzabteilung mit den Controllern zusammen, um neue Positionen gemeinsam zu gestalten. Alle anderen relevanten Stakeholder waren an der Rollengestaltung durch Workshops beteiligt, in denen die Anforderungen interner Nutzer identifiziert, nach Aufgabenfokus gruppiert und in die Rollenbeschreibungen aufgenommen wurden. Die Transformation führte somit zu drei verschiedenen Rollen im Controlling:
1. Business Analyst: fokussiert auf digitale Kompetenzen und Fachwissen, mit einer starken Ausrichtung auf Details und technische Präzision.
